Juliane Schreiber

BIST DU EINE SLASHER:IN?

Schrägstriche in der Berufsbezeichnung machen die Komplexität neuer Arbeits- und Lebenwelten sichtbar, fordern aber auch neue Verhaltensweisen für gelingende Vereinbarkeit.

Hi, ich bin Juliane. Ich bin Gründerin/Geschäftsführerin/Speakerin/Autorin/Bloggerin/Content-Creatorin/Mutter/Networkerin/Linkedin Changemaker und ganz offensichtlich Slasher. Denn diese Art sich vorzustellen, nannte die US-Autorin Marci Alboher 2007 Slashing. Bei vielen Personen des öffentlichen Lebens ist diese Berufsaufzählung längst üblich und auch bei Wikipedia findet man kaum eine noch lebende Person, die „nur“ mit dir einem Titel benannt ist. Das Oder ist out.

Multijobbing statt Berufs-Monogamie

Kein Wunder, denn die Anzahl der Menschen, die mehr als einen Beruf ausfüllen steigt seit Jahren. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hatten zuletzt 3,5 Millionen Menschen in Deutschland zwei oder mehr Jobs. Die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Denn gezählt werden in den Studien nur die Tätigkeiten, die offiziell gemeldet sind. Erkennt man Care-Arbeit an, müsste man knapp 30 Millionen Eltern in Deutschland als Multijobber zählen. Die Hälfte aller Gründer:innen in Deutschland gründet inzwischen nebenberuflich. Viele der Jobs, die Selbstständige ausführen, werden als gesammelte Rechnungsposten gebucht und gehen damit nicht in die Statistik ein.

Kein Platz für ein „nur“

Dennoch ist es sinnvoll diese Bezeichnungen in der eigenen Vorstellung zu listen; nicht nur, um schon mal Content für den eigenen Wikipedia-Beitrag vorzuproduzieren. Denn jede und jeder von uns hat eine komplexe Persönlichkeit, eine Vielzahl an Interessen und führt unterschiedliche Rollen aus. Zu sagen „Ich bin Speakerin“ reduziert meine Möglichkeiten sinnvoll mit anderen über diese Rolle hinaus zu interagieren. Insbesondere zum Netzwerken benötigen wir mehr Informationen von und übereinander, als einen Jobtitel.

Slash/ der gestresste Mensch der Welt

Das birgt jedoch zugleich die Gefahr der eigenen Berufs- und Rollenüberlastung. Statt in einem Job gut zu glänzen, kommt mit der Fülle an Berufungen der Anspruch in allen Tasks maximal zu performen. Wer Vollzeit-Angestellte und Vollzeit-Mutter ist, hat bereits gemerkt, dass das Konzept des 24 Stunden-Tages nicht aufgeht. Ist man dazu noch Trainerin/Dozentin/Kleingärtnerin ist man *Slash* ständig im Stress. Hier hilft es Tätigkeiten von Rollen zu trennen und sich klare zeitliche Kapazitäten für die mit den Rollen verbundenen To-Do’s einzuplanen. Auch schlafend bin ich Autorin. Auch in Elternzeit bin ich noch Angestellte bei meiner Firma. Auch im Meeting mit der Bank bin ich noch Mutter.

Passion und Profession können co-existieren

Die Trennung von To-Do und Rollen sollte optimalerweise auch im Arbeitsalltag thematisiert werden, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. Dass jemand Mutter oder Vater geworden ist, geht nicht damit einher, dass er oder sie für diese Rolle ihren Beruf kündigt. Dass jemand angestellt ist und Gründer:in, muss nicht bedeutet, dass die Person nur noch halbherzig arbeitet. Slashing bedeutet nicht, dass an einer Stelle etwas weggenommen wird, sondern zeigt die längst bestehende Vielfalt von Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen auf, die jeder Menschen besitzt.

 

Zur Person:

Juliane Schreiber ist Geschäftsführerin von This Will Worq GmbH, Gründerin von Mama Meeting und Trainerin/Speakerin für Vereinbarkeit.